Ganztag
22.04.2024

"Echte Chance für mehr Bildungsgerechtigkeit"

Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages NRW, im Gespräch mit dem Kölner Stadtanzeiger

Kölner Stadtanzeiger: Bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztag an Grundschulen fehlt eine gesetzliche Regelung des Landes. Was glauben Sie: Wie lange müssen die Kommunen noch darauf warten?

Helmut Dedy: Es gibt bisher kein Signal der Landesregierung, ob es überhaupt ein Gesetz geben wird. Das klingt nach einer formalen Frage, ist aber ein echtes Problem. Denn ohne Ausführungsgesetz müssen wir davon ausgehen, dass auch kein zusätzliches Geld vom Land für den Ganztag fließt. Wie soll dann ein Ausbau gelingen? Die kommunalen Haushalte rutschen immer mehr ins Minus. Lässt das Land die Städte dann noch mit der Finanzierung der Ganztagsförderung allein, dann heißt das Ganztag nach Kassenlage.

Kölner Stadtanzeiger: Wie sollte der Ganztag in NRW organisiert werden?

Helmut Dedy: Wir wünschen uns, dass die Landesregierung den Rechtsanspruch als echte Chance für mehr Bildungsgerechtigkeit nutzt. Dafür brauchen wir einen bildungspolitischen Neustart. Es geht nicht nach dem Motto: Beim Ganztag bleibt alles beim Alten. Das Kabinett hat vor Kurzem fachliche Grundlagen für den Ganztag beschlossen. Die besagen: Beim Ganztag bleibt erst einmal alles, wie es ist. Das bleibt weit hinter unseren Erwartungen zurück. Wir wollen Entscheidungen vor Ort ermöglichen, die den Elternwillen umsetzen. Wenn Schule, Eltern und Schulträger sich gemeinsam für den gebundenen Ganztag entscheiden, sollte er vom Land auch genehmigt werden. Das heißt dann: Mehr Förderung mit gutem pädagogischen Konzept – und Unterricht und Ganztagsförderung über den Tag verteilt. In anderen Bundesländern ist das längst möglich.

Kölner Stadtanzeiger: Wie geht die vom Land versprochene Reform der Schulfinanzierung voran?

Helmut Dedy: Wir haben dieses wichtige Projekt aus dem Koalitionsvertrag immer unterstützt, aber mittlerweile drängt die Zeit. So ein Reformprozess ist komplex, zu Beginn braucht es ein bildungsökonomisches Gutachten. Wir müssen schließlich wissen, wer zahlt aktuell wie viel für was? Und wir müssen wissen: Welche Szenarien erwarten wir in Zukunft und welcher finanzielle Bedarf hängt daran? So müsste der Prozess beginnen. Die Landesregierung dagegen will zuerst ein juristisches Gutachten in Auftrag gegeben und die rechtlichen Grundlagen beleuchten. Das braucht es aus unserer Sicht nicht und kostet unnötig Zeit. Eine Reform der Schulfinanzierung vor der nächsten Landtagswahl sehe ich daher nicht mehr.

Zum Interview auf www.ksta.de