Kosten für "Fehlfahrten" von Rettungswagen
14.10.2025

Ohne Einigung mit den Krankenkassen könnte es gefährlich werden

Thomas Eiskirch, Vorsitzender des Städtetages NRW, gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ)

Der Städtetag NRW warnt davor, dass die Städte in Kürze gezwungen sein könnten, für einen Teil der Rettungseinsätze Gebührenbescheide an die Bürgerinnen und Bürger zu schicken. Grund sind gescheiterte Verhandlungen mit den Krankenkassen über die Kosten der sogenannten Fehlfahrten. Um dieses Worst-Case-Szenario zu verhindern, muss die Landesregierung schnell aktiv werden und die Krankenkassen zurück an den Verhandlungstisch holen. Gelingt das nicht, sollte das Land die Kosten übernehmen. Dazu erklärt Thomas Eiskirch, Vorsitzender des Städtetages NRW und Oberbürgermeister der Stadt Bochum:

"Stand jetzt befürchten wir das Schlimmste. Wenn es nicht schnell doch noch eine Lösung für die Kosten der sogenannten Fehlfahrten gibt, bleibt den Städten eigentlich nur eine Möglichkeit: Sie müssten den Bürgerinnen und Bürgern, die in diesen Fällen den Rettungswagen gerufen haben, Gebührenrechnungen schicken. Sogenannte Fehlfahrten sind Einsätze, bei denen die Patienten nicht ins Krankenhaus gefahren werden, zum Beispiel weil eine Behandlung vor Ort ausreicht. Das würde etwa jede fünfte Fahrt von Rettungsdiensten in NRW betreffen. Das Geld müssten sich die betroffenen Bürgerinnen und Bürger dann selbst bei den Krankenkassen zurückholen.

Dieses Verfahren hat eigentlich nur Nachteile. Es ist kompliziert, bürokratisch und birgt außerdem eine große Gefahr: Wer das erste Mal eine Rechnung für einen Rettungseinsatz bekommt, überlegt es sich beim nächsten Notfall zweimal, ob er die 112 wählt. Das ist gefährlich.

Die Menschen dürfen auf keinen Fall den Eindruck haben, wir hätten amerikanische Verhältnisse, wo erst einmal das Portemonnaie gezückt werden muss, wenn der Krankenwagen kommt.

Das kann zu tragischen, vielleicht sogar traumatisierenden Situationen führen. Stellen wir uns nur mal vor, eine Familie ruft den Rettungsdienst, ein Familienmitglied muss reanimiert werden, verstirbt aber vor Ort. Und ein paar Tage später flattert dann eine Rechnung ins Haus, weil auch das als 'Fehlfahrt' gilt. Das können die Krankenkassen den Hinterbliebenen nicht ernsthaft zumuten wollen.

Doch dieses Worst-Case-Szenario wird immer wahrscheinlicher. Alternativen gibt es praktisch keine, wenn die Krankenkassen sich weiter verweigern. Die Städte können angesichts des Rekorddefizits der kommunalen Haushalte die Kosten nicht selbst übernehmen. In größeren Städten geht es dabei um zweistellige Millionenbeträge pro Jahr.

Auf NRW hochgerechnet schätzen wir Kosten für die Kommunen von mindestens einer Viertelmilliarde Euro pro Jahr. Heißt im Klartext: Das Geld, das wir pro Jahr vom Land für die Altschuldenlösung bekommen werden, würde direkt wieder für die Fehlfahrten rausgehen. In einigen Städten werden bereits Ratsbeschlüsse vorbreitet, die besagen, dass die Fehlfahrten-Kosten von der Stadt nicht übernommen werden können.

Der Begriff Fehlfahrten ist übrigens irreführend. Sie sind ja per se nichts Schlechtes. Im Gegenteil: Es hilft doch dem gesamten Gesundheitssystem, wenn der Rettungsdienst effizient und kostengünstig direkt vor Ort hilft, statt mit unnötigen Einlieferungen die Krankenhäuser noch mehr zu belasten und dort Kosten zu verursachen. Umso unverständlicher ist es für uns, dass die Krankenkassen sich hier querstellen.

Fast keine Stadt in NRW hat nach den gescheiterten Verhandlungen mit den Krankenkassen für kommendes Jahr eine Gebührensatzung für Rettungsdienstleistungen, dem die Kassen zugestimmt haben.

Wenn das Land jetzt nicht aktiv wird und die Krankenkassen an den Verhandlungstisch zurückbringt, werden die Städte gezwungen sein, ihre Rechnungen für die sogenannten Fehlfahrten direkt an die Bürgerinnen und Bürger zu schicken.

Das Gesundheitsministerium muss jetzt schnell handeln und in den Verhandlungen mit den Krankenkassen vermitteln, damit doch noch eine Lösung gefunden wird.

Wenn das nicht gelingt, sollte das Land uns zur Hilfe kommen und bis auf Weiteres die Kosten für die Fehlfahrten übernehmen.

Das Problem ließe sich beheben, wenn der Bund eine Gesetzeslücke im Sozialgesetzbuch schließt. Dort sollte klar geregelt sein, dass der Rettungseinsatz auch abgerechnet werden kann, wenn eine Behandlung vor Ort stattgefunden hat oder die Patienten in eine Arztpraxis gefahren werden und nicht unbedingt im Krankenhaus landen. Das wäre dann auch für die Krankenkassen bundesweit bindend.

Diese Gesetzesänderung sollte der Bund auf jeden Fall angehen, die NRW-Städte können darauf aber nicht warten. Wir brauchen eine Ad-hoc-Lösung und die Zusage des Landes, dass wir nicht auf den Kosten sitzenbleiben."

Eiskirch weiter: "Denn das Land ist für das Rettungswesen zuständig, wir fahren die Rettungsdienste im Auftrag des Landes."

Hintergrund

So genannte Fehlfahrten sind Fahrten von Rettungsdiensten, bei denen die Patientin oder der Patient nicht ins Krankenhaus eingeliefert wird. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn eine medizinische Behandlung vor Ort ausreichte oder die Patienten in eine Arztpraxis gefahren werden. Fehlfahrten sind im Rettungswesen systemimmanent: Sie lassen sich kaum verhindern – auch nicht von den Städten und ihren Rettungsdiensten. In der Vergangenheit haben die Krankenkassen nach entsprechenden Vereinbarungen mit den Städten die Kosten für diese Fehlfahrten übernommen. Stand jetzt weigern sich die Krankenkassen, diese Kosten weiterhin zu übernehmen. Entsprechende Verhandlungen mit den Krankenkassen sind gescheitert.

Zum Artikel mit den Aussagen von Thomas Eiskirch auf www.waz.de