Mitgliederversammlung in Essen
02.06.2022

"Krisenfestigkeit stärken, Zusammenhalt schaffen"

Appell des Städtetagsvorsitzenden Pit Clausenan an Bund und Land: "Überschätzt Euch nicht, Ihr braucht die Städte"
  • Portraitbild von Pit Clausen, Vorsitzender des Städtetages NRW

Die Städte in NRW halten es für nötig, in den kommenden Jahren die Krisenfestigkeit der Politik von Bund, Land und Kommunen zu stärken, den Wandel zu gestalten und Zusammenhalt in der Gesellschaft zu sichern. Das sagte der scheidende Vorsitzende des Städtetages NRW, der Bielefelder Oberbürgermeister Pit Clausen, in seiner Rede während der Mitgliederversammlung des kommunalen Spitzenverbandes in Essen. Bei dem ersten großen Präsenz-Treffen des Städtetages seit 2018 sind rund 600 Delegierte und Gäste aus Städten aus allen Teilen des Landes dabei. Das Motto lautet "Lebenswertes Zuhause. Die Städte in NRW."

Die Städte hätten während der Corona-Pandemie und seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine gezeigt, dass sie die Problemlöser vor Ort sind, dass sie anpacken und machen, betonte Clausen:

"Bund und Land bleiben zu oft in ihrer eigenen Blase. Sie versäumen es immer wieder, unsere Anwendungs- und Umsetzungskompetenz auch zu nutzen. Ich weiß, auch im Bund und Land war Krise. Aber unser Appell ist klar: Überschätzt Euch nicht, Ihr braucht die Städte. Bindet uns früher ein. Wir sind verlässliche Partner. Wir wissen, wie es vor Ort geht."

Nichts sei schlimmer als gut gemeinte, aber schlechte Regelungen. Als aktuelles Beispiel nannte Clausen die einrichtungsbezogene Impfpflicht: "Gut gemeint, aber völlig verkorkst geregelt."

Städte benötigen Beinfreiheit und Handlungsfähigkeit

Weil sich vieles verändert, müssten auch die Städte überprüfen, wo und wie sie ihre Arbeit anpassen. Die Krisen sind nicht vorbei, betonte der Städtetagsvorsitzende: "Wir wissen alle, die nächste Pandemie wird kommen, genauso wie das nächste Extremwetter oder die nächste Zuwanderung. Aber wir wissen eben nicht wann, wo und in welchem Ausmaß. Das gilt auch für Cyberattacken, technische Katastrophenfälle oder Terroranschläge."

Städtische Angebote und die Organisation "Stadt" müssten krisenfest aufgestellt werden. Und die Städte benötigten Beinfreiheit und Handlungsfähigkeit, um auf Krisen vorbereitet zu sein. Beinfreiheit heiße so viel dezentrale Regelungshoheit wie möglich und nur so viel zentrale Vorgaben wie erforderlich. Diese Faustformel entfessele die kommunale Umsetzungskompetenz. Sie ermögliche differenziertes Vorgehen bei verschiedenen Lagen in unterschiedlichen Städten.

Clausen:

"Wir wollen in gute Infrastruktur und den digitalen Wandel investieren. Wir wollen für die Klimaanpassung und für mehr Cybersicherheit arbeiten. Wir bieten unsere kommunale Power an. Wir haben die Erfahrung und die Kompetenz vor Ort. Liebe Landesregierung: bitte entfessele uns! Das schafft mehr Problemlösung als hundert neue Projekte."

Städte können Wandel – Andere Länder beim digitalen Lernen auf Überholspur

"Städte können Wandel. Wir lieben es, zu gestalten. Gute lebenswerte Städte für die Menschen vor Ort zu schaffen", so Clausen weiter. In der Pandemie habe sich allerdings auch gezeigt: "Wo andere Länder auf der Überholspur sind, fahren wir zu langsam. Wir erleben es jetzt mit den Kindern aus der Ukraine. Viele lernen digital – mit Lehrerinnen und Lehrern aus ihrer Heimat. Die Ukraine schafft im Krieg, was wir im Frieden nicht schaffen." Bei uns funktionierten nach zwei Jahren Pandemie digitale Lernräume noch immer nicht richtig. Es stelle sich weiter die Frage, wer den Support, die Betriebskosten, die Ersatzbeschaffungen für die Tablets in den Schulen bezahlt: "Moderne Bildung darf nicht an diesen Fragen scheitern. Wir sollten nicht an der Zukunft unserer Kinder sparen."

Der Städtetagsvorsitzende sprach schließlich das große Thema Zusammenhalt an. Die vergangenen Jahre, Monate, Wochen hätten in unserer Gesellschaft das Fundament des Miteinanders ins Wanken gebracht. Menschen seien frustriert, desorientiert, vor allem aber erschöpft und leider oft sehr wütend.

"Beteiligung und Teilhabe sind gut. Demokratie braucht Streit. Aber sie braucht vor allem Respekt, Toleranz und Wertschätzung des Gegenübers",

forderte Clausen: "Wir müssen zu einem besseren Miteinander kommen. Dafür gibt es kein einfaches Rezept. Aber wir haben Zusammenhalt ja auch immer wieder bewiesen. Wir können das doch – zusammenhalten. Und wir werden den Zusammenhalt schaffen. Für die Mehrheit in unseren Städten, die ein friedliches Miteinander wollen."