Klimaschutz - Altschulden - strukturschwache Kommunen
13.09.2019

Städte beim Klimaschutz unterstützen – kommunales Altschuldenproblem angehen – strukturschwache Kommunen stärker fördern

Städtetag Nordrhein-Westfalen tagte in Berlin

Der Städtetag Nordrhein-Westfalen drängt die Bundesregierung, für den Klimaschutz nicht nur Absichtserklärungen in ein Klimaschutzgesetz aufzunehmen, sondern kommende Woche im Klimakabinett sehr konkrete und wirksame Maßnahmen gegen den Kohlendioxid-Ausstoß festzulegen. Das erklärte der Vorsitzende des Städtetages NRW, Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann aus Hamm, nach einer Vorstandssitzung und Gesprächen mit Vertretern der Regierung und der Bundestagsfraktionen in Berlin.

Außerdem fordern die NRW-Städte vom Bund, seinen grundsätzlich angekündigten Beitrag zum Abbau kommunaler Altschulden zeitnah vorzustellen.  Allerdings müsse auch die Landesregierung in Düsseldorf endlich ein eigenes Konzept vorlegen, sagte Hunsteger-Petermann: "Das Altschuldenproblem der NRW-Städte muss in NRW gelöst werden, unabhängig davon, ob und wie der Bund das Land und die Kommunen unterstützt. Eine drückende Schuldenlast von 24,8 Milliarden Euro Kassenkrediten der NRW-Kommunen ist nicht mehr zu verantworten."

Der stellvertretende Vorsitzende des Städtetages NRW, Oberbürgermeister Pit Clausen aus Bielefeld, forderte den Bund auf, das für gleichwertige Lebensverhältnisse in Aussicht gestellte gesamtdeutsche Fördersystem rasch zu verwirklichen: "Es muss dringend gehandelt werden, um die Zukunftsfähigkeit von strukturschwachen Regionen in NRW zu sichern. Damit diese Regionen sich wirtschaftlich besser entwickeln können, müssen deutlich mehr Finanzmittel als bisher für die Strukturförderung bereitgestellt werden."

Andernfalls werde ein gesamtdeutsches Fördersystem zu wenig bewirken. Der Vorstand des Städtetages NRW war erstmals in Berlin zusammengekommen und hatte sich zu Gesprächen mit Staatsminister Hendrik Hoppenstedt aus dem Bundeskanzleramt und Staatssekretär Dr. Rolf Bösinger aus dem Bundesfinanzministerium getroffen. Außerdem führten die rund 20 Stadtspitzen Gespräche mit dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ralph Brinkhaus, dem stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Achim Post, und dem Vorsitzenden der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Anton Hofreiter.    

Klimaschutz

Aus Sicht der NRW-Städte kann die CO2-Bepreisung als Teilelement eines Klimaschutzgesetzes einen Beitrag dazu leisten, dass CO2-arme oder CO2-freie Energieträger in Zukunft stärker genutzt werden. Der CO2-Preis müsse jedoch sozialverträglich sein und dürfe Verbraucher und Wirtschaft nicht über Gebühr belasten. Städtetagsvorsitzender Thomas Hunsteger-Petermann sagte: "Klimaschutz ist eine weltweite Zukunftsaufgabe, die auch lokal angegangen werden muss. Städte engagieren sich seit Jahren für dieses Ziel. Und wir wollen dieses Engagement noch verstärken. Klimaschützende Maßnahmen und Anpassungen der Städte an die Folgen des Klimawandels können aber nicht allein Sache der Städte sein. Deshalb muss die Bundesregierung bei ihrem Klimaschutzgesetz Regelungen festschreiben, mit denen städtische Klimapolitik tragfähig unterstützt wird. Wichtig ist dabei, dass der Bund bestehende und künftige Förderprogramme langfristiger anlegt, deutlich besser dotiert und die Anträge und Bewilligung von Mitteln vereinfacht. Nur so bekommen die Städte Planungssicherheit."

Neben der Energieeinsparung und dem Einsatz erneuerbarer Energien stehen für die Städte aktuell die energetische Gebäudesanierung und die Förderung umweltfreundlicher Mobilität im Vordergrund. Die Städte leisten einen wichtigen Beitrag, um Kohlendioxid-Emissionen zu senken. Parallel dazu sind sie mit großem Aufwand dabei, sich an extreme Hitze- und Trockenzeiten, Stürme und starke Niederschläge und weitere Folgen des Klimawandels anzupassen.

Altschulden
 
Im Gespäch mit der Bundespolitik machte der Städtetag Nordrhein-Westfalen deutlich, dass er einen konkreten Vorschlag für einen Beitrag des Bundes zum Abbau der drückenden kommunalen Altschulden erwartet. Gleichzeitig wies der kommunale Spitzenverband das Land  Nordrhein-Westfalen darauf hin, dass es bei der Diskussion des Themas auf Bundesebene  inzwischen als nachteilig wahrgenommen werde, dass es aus NRW kein eigenes wirksames Landesprogramm zum Altschuldenabbau gibt, sagte Hunsteger-Petermann: "Die Zeit zu handeln ist jetzt: Wir brauchen eine nachhaltige und umfassende Entschuldung auch und gerade bei sich eintrübender Wirtschaftsentwicklung. Schon im NRW-Landeshaushalt 2020 muss es deshalb ausreichende Mittel für einen geordneten und nachhaltigen Schuldenabbau geben. Denn eines ist klar und inzwischen unstrittig: Allein aus eigener Kraft werden sich die von Strukturbrüchen belasteten NRW-Städte nicht von ihren Altschulden befreien können – trotz ihrer zahlreichen Anstrengungen."

Zu dieser Einschätzung kommen der Vorsitzende und die Co-Vorsitzenden der Kommission gleichwertige Lebensverhältnisse ebenso wie das Bundeskabinett in seinem Beschluss vom Juli. Vom Bund fordern die NRW-Städte, nun zeitnah einen konkreten Beitrag für seine Beteiligung an einer Altschuldenlösung vorzustellen. Denkbar wäre etwa eine unmittelbare Bundesbeteiligung an der Schuldentilgung durch eine Ko-Finanzierung eines NRW-Landesprogrammes, aber auch eine Entlastung der Kommunen im Sozialbereich – bei den Kosten der Unterkunft für Langzeitarbeitslose. Auch eine Finanzierung von Altschuldenprogrammen der Länder über günstige Bundeskonditionen zum Beispiel im Zuge eines KfW-Programmes käme in Betracht.

Strukturschwache Kommunen und Regionen

Die NRW-Städte halten es für inzwischen anerkannt, dass Strukturschwäche nicht ausschließlich im ländlichen Raum oder in Ostdeutschland zu verorten ist. Das angekündigte gesamtdeutsche Fördersystem müsse dafür sorgen, dass sich in strukturschwachen NRW-Städten und Regionen die Qualität der Infrastruktur situationsgerecht verbessert und die wirtschaftliche Entwicklung angeregt wird. Das unterstrich der stellvertretende Städtetagsvorsitzende Pit Clausen: "Mit den Vorschlägen der Arbeitsgruppe ‚Wirtschaft und Innovation‘ der Kommission 'Gleichwertige Lebensverhältnisse' liegt eine gute Grundlage auf dem Tisch, mit deren Hilfe der Bund zusammen mit den Ländern ein gesamtdeutsches Fördersystem schaffen kann. Dazu muss allerdings auch gehören, dass die Finanzmittel vor allem für die  Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur deutlich aufgestockt werden. Nur so lässt sich insbesondere die wirtschaftsnahe Infrastruktur gezielter und umfangreicher verbessern."

Wie dringend strukturschwache Kommunen in NRW gezielt gefördert werden müssten, verdeutlicht unter anderem die Studie "Die Zukunft der Regionen – Zwischen Vielfalt und Gleichwertigkeit" vom Institut der Deutschen Wirtschaft. Die Studienergebnisse zeigen, dass fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung die Probleme in den westdeutschen Regionen stärker in den Fokus rücken müssen. Nach Auswertung der drei Indikatoren Wirtschaft, Demographie und Infrastruktur identifiziert man dort insgesamt 19 Problemregionen, von denen vier Regionen mit Emscher-Lippe, Duisburg/Essen, Bochum/Hagen und Dortmund in Nordrhein-Westfalen liegen. Ein oftmals vermutetes Stadt-Land-Gefälle konnten die Auswertungen nicht nachweisen.

Zitate zu den Gesprächen mit dem Vorstand des Städtetages NRW

Hendrik Hoppenstedt, Staatsminister im Bundeskanzleramt:
"In wichtigen gesellschaftlichen Fragen müssen Bund, Länder und Kommunen jeweils ihre Verantwortung wahrnehmen. Aber wir müssen auch auf eine faire Lastenverteilung achten, die die Kommunen nicht überfordert. Der von der Koalition verabredete Rechtsanspruch einer Ganztagsbetreuung für Schulkinder zum Beispiel soll Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit erleichtern. Dabei ist der Bundesregierung bewusst, dass solche Ansprüche für die Länder und Kommunen nicht einfach umzusetzen sind. Deshalb sind wir bereit, als Bund einen Beitrag zur Finanzierung zu leisten. Gelingen kann dieses Projekt aber nur, wenn auch die Länder ihre Verantwortung wahrnehmen. Sie sind hier wegen der Schulen vorrangig gefordert."

Dr. Rolf Bösinger, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen:
"Der Strukturwandel betrifft uns alle. Denn es geht nicht nur abstrakt um ökologische und ökonomische Fragen, sondern ganz konkret um Arbeitsplätze, Partizipation am gesellschaftlichen Leben und um unsere Gesundheit und die Lebensbedingungen unserer Kinder und Enkel. Der Bund begreift den Ausstieg aus der Kohleverstromung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Daher unterstützt er die Kohleregionen ganz kurzfristig durch das 'Sofortprogramm Strukturwandel' mit 240 Millionen Euro und langfristige durch das 'Strukturstärkungsgesetz', mit dem der Bund Milliarden gezielt in Regionen investiert, in denen bisher Kohlekraftwerke und Tagebau angesiedelt sind. Es liegen nun 20 Jahre vor uns, in denen wir zeigen werden, dass Klimaschutz und gute Arbeit kein Gegensatz, sondern eine gigantische Chance für unser Industrieland sind."

Ralph Brinkhaus, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag:
"Wir stehen vor großen Herausforderungen wie etwa bei den Themen Nachhaltigkeit und Strukturwandel. Bund, Länder, Städte und Gemeinden müssen diese zusammen lösen. Die kommunale Ebene ist diejenige, die am nächsten an den Menschen dran ist. Deswegen ist ein direkter Austausch zwischen Vertretern der Städte und dem Bund die Grundlage für gute Politik für die Menschen vor Ort."

Achim Post, Stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion:
"Für die SPD ist klar: Wir brauchen gerade in der heutigen Zeit starke Kommunen. Nur wenn es uns gelingt, in den Städten und Kommunen vor Ort Zusammenhalt, Nachhaltigkeit und gerechte Chancen für alle Menschen zu verwirklichen, können wir dies auch als Land insgesamt schaffen. Deshalb hat die SPD schon in den zurückliegenden Jahren viel dafür getan, um die Kommunen zu stärken - etwa durch die Unterstützung des Bundes bei den Flüchtlingskosten der Länder und Kommunen, bei der Kinderbetreuung, dem Ausbau der kommunalen Infrastruktur oder dem Sozialen Wohnungsbau. Wir müssen und wollen aber noch mehr tun. Und das heißt für uns als SPD zum Beispiel auch: Wir wollen jenen Kommunen helfen, die aus eigener Kraft nicht mehr aus der Verschuldungsfalle herauskommen. Dazu braucht es eine Altschuldenregelung, die Bund, Länder und Kommunen solidarisch in die Pflicht nimmt. Davon würden gerade auch viele hochverschuldete Kommunen in Nordrhein-Westfalen profitieren."

Anton Hofreiter, Vorsitzender der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen:
"Die hohen Kommunalschulden machen viele Kommunen in NRW fast handlungsunfähig. Aus unserer Sicht ist es entscheidend, dass den Kommunen mit den hohen Altschulden – auch vom Bund – unter die Arme gegriffen wird. Sie können alleine aus der Schuldenfalle nicht herausfinden. Wir setzen uns auch für einen starken kommunalen Klimaschutz ein. Das bedeutet im Kern, dass bei jeglichen kommunalen Entscheidungen die Wirkung auf das Klima geprüft und klima- und umweltfreundliche Lösungen bevorzugt werden sollen."